Das Fastentuch von Jakob Kirchmayr in der Basilika St. Gereon
Es hat schon Tradition, dass wir in der Fastenzeit Künstlern in unseren Kölner Innenstadtkirchen Raum für ihre Arbeiten geben. Dieses Jahr präsentieren wir in St. Gereon das FASTENTUCH von Jakob Kirchmayr.
Das Verhüllen der Altarräume hat in der Fastenzeit jahrhundertelange Tradition. Es klingt wie ein Paradox. Wir verhüllen etwas, um etwas sichtbar zu machen. Wir verhüllen das Kreuz, um es an Karfreitag zu enthüllen. Aber auch im Tabernakel findet sich ein Vorhang, der Hostienkelch ist unter einem Mäntelchen geborgen. Es geht immer darum, das Unzugängliche, das, was wir nicht begreifen können, sichtbar zu machen.
Wir kennen das aus dem Alltag. Die besonders kostbaren und bedeutungsschwangeren Geschenke wie Parfüm oder Juwelen werden mit einer aufwendigen Verpackung umhüllt. Und unsere Kleidung, unsere Wohnung, unser Auto sind Hüllen, die manchmal mehr von uns erzählen, als wir preisgeben wollen. Alle Hüllen und Verhüllungen erzählen etwas von dem Unzugänglichen und Verborgenen, das dennoch gegenwärtig ist.
Jakob Kirchmayrs FASTENTUCH trennt als packendes, raumgreifendes Objekt den Hochchor der Basilika St. Gereon ab und steht damit in der Traditionsgeschichte der jahrhundertealten Fastentücher. Gleichzeitig fordert er durch seine konfrontierende Ästhetik, seine überraschende Materialwahl und Grenzen überschreitende Materialverarbeitung aber auch heraus. Erdige, verbrannte Stoffe und Tierhäute erzählen vom Werden und Vergehen, vom Zusammenhalten und Zerfallen, von schwerer Erde und luftigem Himmel, von göttlicher Kreativität und menschlicher Zerstörung.
Das FASTENTUCH von Jakob Kirchmayr lädt an diesem 1700 Jahre alten Kirchort ein, nicht beim Vordergründigen stehen zu bleiben, eine Sensibilität für das Dahinterliegende zu entwickeln und neu zu denken. Denn das meint das Wörtchen „metanoia“, mit dem die Fastenzeit in der Bibel beschrieben wird: „Neu denken“.