
Spuren des Feuers
PRESSEFOTO ZUM DOWNLOAD das Fastentuch im Hochchor der Basilika St. Gereon, Foto: © Dirk Jagodzinska
PRESSEFOTO ZUM DOWNLOAD Portait Jakob Kirchmayr, Foto: © Jakob Kirchmayr
DAS FASTENTUCH IST VON 5. MÄRZ BIS 18. APRIL 2025 IN DER ROMANISCHEN INNENSTADTKIRCHE
ST. GEREON IN KÖLN / DEUTSCHLAND ZU SEHEN
Das Fastentuch von Jakob Kirchmayr in der Basilika St. Gereon in Köln
Text: Dr. Dominik Meiering Pfr.
Ein Bild unserer Zeit - von der Notwendigkeit des Verzichts
Einführung zum Fastentuch von Jakob Kirchmayr für die Kirche St. Michael in Wien, Text: Dr. Klaus Speidel
"Dieses Tuch hängt hier nicht um das Profane vom Sakralen zu Teilen, genau das Gegenteil ist der Fall. Dieses Tuch holt die Wirklichkeit unserer Welt, in diesen sakralen Raum hinein". Dr. Guido Schlimbach
DIE SPUREN DES FEUERS
Text: Jakob Kirchmayr
Im Sommer 2023 wurde die Möglichkeit an mich herangetragen, ein Fastentuch für die Michaelerkirche in Wien zu erarbeiten. Ich war von dieser Idee angetan, wenngleich das nötige Format von etwa 12 x 6 Meter, meine größten Arbeiten um das Fünffache übersteigen würde.
In einigen Teilen des deutschsprachigen Raums werden Fastentücher auch als Hungertücher bezeichnet. Ein Ausdruck, der sich in der Redensart „am Hungertuch nagen“ bis heute erhalten hat und "Mangel leiden" bedeutet. Dazu passt kein prächtig gemaltes Bild, dazu passt weder Schönheit noch Glanz - viel eher die Auseinandersetzung mit den einfachen Dingen, mit Bescheidenheit, Liebe oder Verzicht. Ich war also auf der Suche nach einem Medium, das mir ermöglichte, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Abgesehen davon, erschien es mir nicht sinnvoll, mit meiner Malerei, mit Bildern und Symbolen andere Bilder und Symbole zu verdecken. Beeinflusst von düsteren Zukunftsprognosen, den Wirtschaftsstrategien der großen Konzerne, dem Klimawandel, der fortschreitenden globalen Zerstörung der Natur, sowie den grauenhaften kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Zeit, fand ich anstelle von Stiften und Farbe, schließlich Wasser und Feuer als transformierende - Erde, Asche, Rauch und Kohle als färbende Medien. Die Spuren des Feuers, apokalyptisch, wie auch wunderschön zugleich.

Es war bereits Dezember, das Wetter kalt und regnerisch vorhergesagt. Ich hatte mir einen vom Regen aufgeweichten Boden gewünscht, nasse Erde, nasses Gras, nasse Textilien. Letzteres war nötig, damit sich das Feuer nicht zu rasch in die Baumwolle hineinfressen würde. Für die Umsetzung meiner Vorstellungen hatte ich ein nur noch kleines Zeitfenster zur Verfügung und ich wollte den Regen unbedingt einbinden und es regnete, es regnete in strömen - damit waren neben dem Feuer, der Erde und der Luft, die Elemente vollständig.
Etwa 140 Quadratmeter Baumwollstoff wurden für dieses Werk zerteilt und in einem Weinberg in Niederösterreich mit Asche, Erde und Kohle bearbeitet, geräuchert, dem Feuer, wie dem Regen ausgesetzt. Die Fragmente schließlich wieder zusammengenäht, gerafft und geknittert - so entstand ein Bildwerk, mit skulpturalem Charakter.

Ich werde oft gefragt, warum ich mich für Baumwolle entschied und ob die verwendeten Stoffe „alte“ Stoffe seien. Der Zugang hier war pragmatisch: Baumwolle brennt und ist im Vergleich zu Leinen heller. Die Baumwolle, mit ihrer hellen natürlichen Färbung, sollte die ganz unterschiedlichen Schattierungen des Rauches sichtbar machen. Leinen wäre hierfür zu dunkel gewesen.
Nach der Trocknung der Tücher brauchte ich etwa zwei Wochen, um die einzelnen Fragmente aufzulegen und in eine Komposition zu bringen. Ich hatte das Glück, über den Wiener Verein Tralalobe drei Helferinnen zu finden, die mich bei den Näharbeiten unterstützten. Alle drei brachten nicht nur ihre Energien in dieses Tuch mit ein, sondern auch ihre Geschichten. Sie erzählten von Flucht, der entronnenen Todesstrafe, vom Krieg. Die verbrannten Textilien lagen am Boden, wir saßen darauf und brachten diese Stich für Stich einer Einheit näher.
„Der Geruch, wie auch die Farbe dieser Tücher erinnert mich an den Krieg“, sagte eines Tages Hana*, eine der Frauen und sie erzählte uns vom 7. April 2003, als George W. Busch den Befehl erteilte, ihre Heimatstadt Bagdad zu bombardieren. Saddam Hussein wurde damals im Bezirk Mansour vermutet, wie sich später herausstellte, war diese Annahme falsch - in diesem Wohnviertel lebten Menschen die Hana liebte. „An diesem Tag wütete ein Sandsturm, die Straßen waren voller rotem Staub, man konnte nichts sehen, nur hören“, erzählte sie und ihre Familie erfuhr erst durch das Radio, was passiert war. Allerdings waren die Straßen abgesperrt, die Telefone funktionierten nicht mehr, die Leitungen waren zerstört. Schließlich bahnte sich Hana einen Weg durch Bagdad um nach den Menschen zu suchen die sie liebte. Die Bombe hatte einen Krater mit 8 Metern Tiefe aufgerissen, 5 große Gebäude wurden völlig zerstört - "keine Gärten mehr, keine Bäume, keine Menschen" - sagte Hana. Alles was sie noch fand, war ein Stück vertrauter Kleidung, eine zerrissene Jeans.
Die Zusammenarbeit mit diesen Menschen erfüllt mich mit Dankbarkeit und macht dieses Fastentuch zu dem wertvollsten Projekt, an dem ich bislang arbeiten durfte. Diese drei geflüchteten Menschen empfinden so viel Dankbarkeit für Dinge, die für uns selbstverständlich sind: ein sicherer Ort zum leben, Wasser, Nahrungsmittel, ein Dach über dem Kopf, frei entscheiden zu dürfen, frei lieben zu dürfen. In diesem Zusammenhang empfinde ich den Überfluss der uns umgibt als Abstoßend.
Ich habe diesen Text vor einem Jahr geschrieben und ergänze ihn nun, da sich die politische Weltlage nochmals deutlich verschlechterte. Das Festhalten an unseren westlichen Werten, ist gerade jetzt so wichtig. Die USA sind dabei sich von der westlichen Welt zu verabschieden, um sich mit autoritären Systemen zu verbrüdern. Für uns Europäer sind Demokratie, Liberalität, der Sozialstaat, die Freiheit der Meinungsäußerung, unabhängiger Journalismus, freie Liebe usw. selbstverständlich. Dennoch scheint unsere Welt gerade auseinanderzubrechen, oder an einem Wendepunkt angelangt zu sein und wir müssen achtsam sein, dass unsere Gesellschaft nicht daran zerfällt. In diesem Sinne ist die Europäische Union, der Zusammenschluss von Staaten, die Entscheidung in Frieden miteinander leben zu wollen, ein unglaublich hohes Gut.
Vieles ist dennoch düster und macht mich traurig oder wütend, es gibt so unglaublich viel Unrecht und Zerstörung - so viel Hass. In diesem Fastentuch sind somit auch Schmerz und Wut über die globalen Missstände zu finden - vielleicht aber auch Hoffnung, denn die vielen Fragmente, aus denen das Tuch besteht, die das Feuer verbrannte und verkohlte, wurden wieder zu einer Einheit zusammengefügt - gemeinsam mit geflüchteten Menschen. An sonnigen Tagen, fällt Licht durch die Fenster des Hochchors der Basilika St. Gereon und auch durch die Brandlöcher - zumindest symbolisch ein Hoffnungsschimmer.
Vielleicht regt dieses Tuch dazu an, ein bisschen über das eigene Tun zu reflektieren, sparsamer und bedachter mit unseren Ressourcen und Mitmenschen umzugehen und für unsere Werte einzustehen - jedenfalls wäre dann schon sehr viel damit erreicht. "Wir sterben lieber aus, als auf Überfluss zu verzichten", las ich unlängst in einem Interview mit Peter Sloterdijk. Blickt man sich derzeit um, dann befürchte ich fast, der Philosoph könnte mit dieser Einschätzung richtig liegen. Nimmt man das Fasten wörtlich, dann geht es um Verzicht. Vielleicht liegt der Schlüssel zum Glück in der Einfachheit der Dinge, sowie in der Reduktion.
Jakob Kirchmayr im Jänner 2024 (Ergänzung im März 2025)
* Name geändert
BEITRÄGE IN DEN MEDIEN:
WDR, 25.03.2025
Hässliche Schönheit
Schon lange hat mich Kunst in einer Kirche nicht mehr so beeindruckt wie das Fastentuch, das noch bis Ostern in der Kölner Kirche St. Gereon hängt. Sendung/Text: Klaus Nelißen
KIRCHENZEITUNG KÖLN, 21.03.2025
2024 sorgte das 12 mal 6 Meter große Fastentuch, das Jakob Kirchmayr für die Wiener Michaelerkirche schuf, für Aufsehen. Jetzt ist das Kunstwerk in der Kölner Basilika St. Gereon zu sehen. Hier und da ermöglichen Lücken den Blick auf das Alabasterkreuz. Text: Dr. Guido Schlimbach
DER STANDARD, 10. März 2025
Wie das Fastentuch gerade eine Renaissance erlebt. Text: Johanna Ruzicka
Kraftvoll, verstörend: Das Fastentuch, das im Vorjahr in der Wiener Michaelerkirche hing, ist heuer nach Köln weitergereist.
KÖLNISCHE RUNDSCHAU, 5. März 2025
Auf Tuchfühlung. Text: Ingo Schmitz
Die Passionszeit beginnt: Österreichischer Künstler zeigt außergewöhnliches Fastentuch in St. Gereon. Am Aschermittwoch ist alles vorbei? Nicht wenn es um Kunstgenuss geht. Zum Start der Fastenzeit wird in St. Gereon ein Werk gezeigt, das in Ausmaß und Ausarbeitung einiges in den Schatten stellt.
DIE PRESSE, 25. Februar 2024
Augen-Fasten? Nicht mit diesen Tüchern! Text: Almuth Spiegler
Mit ästhetischer, aber auch biblischer Wucht nimmt das neue Fastentuch in der Wiener Michaelerkirche sich seinen Raum, sehr viel Raum. Es verhängt nicht nur den Hochaltar, sondern trennt gleich den ganzen barockisierten Chorraum ab: Sechs mal zwölf Meter messen die in schwere Falten gelegten, teils verkohlten Tücher, die der Tiroler Maler Jakob Kirchmayr hier aufgespannt hat. Was ist das nur?
BEZIRKS ZEITUNG
Wiener Spaziergänge: Michaelerkirche, März 2024
ZEITUNG DER ARBEIT
Ein Besuch der Michaelerkirche in Wien, März 2024
PUBLIK-FORUM
Durch Brandlöcher hindurchden Glanz erblicken, März 2024
PARNASS, Februar 2024
Am Aschermittwoch 2024 wird das Fastentuch Jakob Kirchmayrs in der Wiener Michaelerkirche präsentiert. Seine bisher größte, skulpturale Arbeit setzt ein Feuer-Zeichen. Es gilt endlich achtsamer mit unserer Gegenwart umzugehen!
HEUTE, 21. Februar 2024
Darum hängt in Michaelerkirche jetzt ein dreckiges Tuch
In der Michaelerkirche in der Wiener Innenstadt hat man sich heuer für ein besonderes Fastentuch entschieden. Die Meinungen darüber sind gespalten.
BEZIRKSFLASH, Montag, 19. Februar 2024
Innere Stadt: Polarisierendes Fastentuch
In der Michaelerkirche sorgt ein ungewöhnliches Fastentuch für Diskussionen.
RADIO WIEN, Montag, 19. Februar 2024
Das Fastentuch in der Michaelerkirche sorgt für Aufregung
Wien.orf.at, Montag, 19. Februar 2024
Das etwas andere Fastentuch
ORF WIEN HEUTE, Sonntag, 18. Februar2024
Reaktionen auf das Fastentuch in der Michaelerkirche - das Fastentuch in der Michaelerkirche in der Wiener Innenstadt scheidet derzeit die Geister. Es besteht aus zwanzig verbrannten Baumwolltüchern und soll den Zustand der Welt widerspiegeln. Gestaltet wurde es vom Tiroler Künstler Jakob Kirchmayr.
ORF SEITENBLICKE, Donnerstag, 15. Februar 2024
Fastentuch Präsentation - in der Michaelerkirche in Wien wurde im Zuge der Aschermittwoch-Liturgie das von Jakob Kirchmayr gestaltete Fastentuch präsentiert. 140 Quadratmeter Stoff, die zum Teil verbrannt und löchrig sind, sollen den Menschen die derzeitige Situation der Welt vor Augen führen.
Zitate:
Ein Anblick der Staunen macht, Text: Klaus-Jürgen Bauer
Das Fastentuch in der Michaelerkirche, Text: Guido Schlimbach
