Tumult des Herzens und der Linie
Jakob Kirchmayrs Sprung ins Großformat schafft Raum für neue zeichnerische Dimensionen.
Innsbruck – Schwer lasten die „Schwarzen Himmel von Metall“ aus Georg Trakls Gedicht „Winterdämmerung“ über einer Gruppe von gebeugten Kreaturen, die sich für das Betrachterauge erst allmählich aus dem Gewirr von Linien und dem Gemenge aus unzähligen zeichnerischen und malerischen Schichten herausschälen.
Knapp zwei mal drei Meter messen die größten Arbeiten, die Jakob Kirchmayr in der Galerie Rhomberg zeigt. Der in Wien lebende Tiroler hat sich in den letzten Jahren zunehmend dem Großformat zugewandt, das Zeichenblatt gegen schweres Baumwollgewebe getauscht. Ohne Vorzeichnung, dem inneren Impuls folgend, entstehen darauf andeutungsreiche Szenen, in denen aber nichts eindeutig ist, auch nicht Abstraktes und Figürliches. Dem Trakl’schen Grundton von Schwermut und Vergänglichkeit folgt Kirchmayr auch in anderen Arbeiten, indem er Zitate integriert. Sie stehen in reizvollem Widerspruch zur skizzenhaften Leichtigkeit von Kirchmayrs Strich, der sich hier mit Flächigem in Weiß, Schwarz und kontrastreichem Rot oder Blau verbindet.
Ein wenig wirkt der Sprung ins große Format auch wie ein Befreiungsschlag. Lange kannte man Kirchmayrs Könnerschaft als Zeichner aus Illustrationen, aber auch von kleinen Formaten, die mitunter ins Karikaturhafte neigten. Vom bissigen Witz Letzterer ist hier freilich nichts zu sehen, vielmehr tritt der Wunsch zutage, sich mit der Kunst auch an zutiefst ernsten gesellschaftlichen Fragen abzuarbeiten.
Unter dem Ausstellungstitel „Border“ ist jedenfalls auch die reale „Grenze“ zu verstehen, die seit geraumer Zeit die politischen Debatten dominiert. Bei Kirchmayr tauchen an dieser Grenze auf einer Papierarbeit drei düstere Wächterfiguren auf. Mit weniger bedeutungsvoller Schwere kommen die Miniaturporträts aus, die wie Fundstücke an der Wand versammelt sind – fast so, als hätten Menschen auf der Flucht sie verloren.